»Wie werde ich jemals in einem Raum schlafen können mit jemandem, der den Terrorismus der Hamas unterstützt?«
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»Wie kann ich mit jemandem in einem Raum schlafen, der mich für einen Terroristen hält und der demnächst Soldat sein wird, vielleicht in Gaza?«
Diese Fragen kamen natürlich sofort auf unter den Teilnehmenden der »Midrasha«. Die Midrasha ist unser von diversen Ministerien geförderter Koexistenz-Kurs für jüdische und arabische 18- bis 19-Jährige nach dem Schulabschluss, eine intensive Zeit von sechs Monaten des Lernens, Arbeitens und Zusammenlebens.
Wie also konnte der Kurs tatsächlich — entgegen allen Erwartungen — auch in diesem Winter stattfinden und sogar eine fruchtbare Zeit werden für alle Beteiligten? In Zeiten, in denen alle unter einer Gefühlswolke von drohendem Terror leben? In denen so viel Misstrauen und Angst herrscht auf beiden Seiten? In Zeiten, in denen selbst die optimistischsten und tolerantesten, offensten und liberalsten Menschen in der Gesellschaft furchtsam, skeptisch und sogar ablehnend gegenüber früheren Freunden werden?
Diese Fragen sind nicht rein theoretischer Natur, wir haben sie hier alle durchlebt in den letzten sechs Monaten, insbesondere die 36 Teilnehmenden des letzten Jahrgangs (»Kohorte«), die sich mit dem »Feind« Schlaf- und Waschräume, Küche und das ganze Gemeinschaftsleben teilten.
Natürlich sind wir in »normalen« Zeiten keine Feinde, ganz bestimmt nicht. Wir sind junge Leute mit einer gewissen Neugier auf die Kultur der jeweils anderen, denen wir ja in unserer Gesellschaft dauernd begegnen: In Universitäten, Einkaufszentren, Zügen und Bussen. In Krankenhäusern sind wir die »Anderen« der Ärzte-, Pflege- und Patientenschaft. Selbst in der Polizei und bei den Rettungsdiensten finden sich Angehörige aller Bevölkerungsgruppen, wobei man sich zumindest auf einer oberflächlichen Ebene wahrnimmt. Diese Dynamik setzte sich auch nach dem schrecklichen 7. Oktober fort, trotz eines wachsenden Gefühls der Unsicherheit auf beiden Seiten.

Wie kam es nur, dass Menschen, die so Seite an Seite leben, plötzlich von einer misstrauischen, feindlichen Gesinnung geplagt werden können? Und wie können wir diese Stimmung nicht nur überwinden, sondern vielleicht ein tieferes Vertrauen zueinander veranlagen? Teilweise haben wir die Antwort oder wenigstens Hilfe in unseren waldorfpädagogischen Ansätzen gefunden.
Am Samstagmorgen, dem 7. Oktober, begannen die Nachrichten uns einzuholen. Etwas Schreckliches ereignete sich an der Grenze zu Gaza, vielleicht unser schlimmster Albtraum in einem vertrauensbildenden jüdisch-arabischen Kurs: Die Jugendlichen schliefen noch nach der Simchat-Torah-Feier am Abend vorher (Wir feiern die Feste aller Religionen gemeinsam). Wir mussten sie wecken und sie über das informieren, was man bis dahin wusste. Eine kurze Sicherheitsübung — völlig unklar, wohin das alles führen könnte, und die Grenze zum Libanon und damit zur Hisbollah ist nicht weit… Und dann…? Was kann man an einem solchen Tag sinnvollerweise tun? Reden könnte nur zu Spekulation und Verängstigung führen, würde die Gruppe auseinanderreißen.
Also holten wir Stifte und Papier und gingen gemeinsam in den Wald — um seine Stärke, seine Kraft, wahrzunehmen und zu zeichnen. Über uns flogen Kampfflugzeuge während wir unsere Bilder gestalteten und miteinander teilten. Es war so erleichternd, der Seele einen Weg zu geben, sich auszudrücken, zur Selbstwirksamkeit zu finden!
Später am Tag spielten wir noch lange Volleyball in gemischten Mannschaften, jüdisch-arabisch, Jungen und Mädchen, und am nächsten Morgen arbeiteten wir mehrere Stunden an unserem gemeinsamen »Heim«. Nie haben wir so gut, so intensiv als Gruppe zusammengearbeitet wie am 8. Oktober!
Dann mussten wir die jungen Leute nach Hause schicken. Natürlich hatten inzwischen durch die Nachrichten, die Sozialen Medien, ihren Weg gefunden, die Gruppe doch auseinander zu bringen… Nun gingen sie in ihre Gemeinschaften, ihre Blasen zurück. Was würde geschehen?

Bereits nach einer Woche begannen die ersten davon zu sprechen, dass sie zurückkehren wollten.
Also machten wir einen Plan. Während die Schulen und Hochschulen noch geschlossen waren, würden wir eine kleine Gruppe der »Willigen« bilden, die zeigen würden, dass ein gemeinsames Leben möglich und sogar freudevoll sein kann! Wir mussten nur sicherstellen, dass sie zunächst nur Dinge miteinander tun würden, die therapeutisch wirken könnten — durch den Willen: physische Arbeit, Sport, Kochen, dann würden die Künste folgen, die die Seele heilen und immer nur ein Minimum an sprachlicher Interaktion, die so schnell zu Meinungen und Spaltungen führen kann. Ja, man kann sagen, wir haben ihnen erlaubt, im Kopf ein bisschen einzuschlafen, für eine notwendige Zeit der Vertrauensbildung — in uns, ihre pädagogischen Leiter, in das Programm und vor allem zueinander.

Das hat tatsächlich geholfen, nicht ohne kleine Krisen natürlich, und es waren sehr wenige Teilnehmende, die nicht wieder eingestiegen sind. Die überwiegende Mehrheit ist wiedergekommen und bis zum Schluss geblieben — und sie waren ohne Zweifel die stärkste Gruppe, die beste Kohorte, die wir je hatten! Zum Abschluss haben sie ein großartiges Schauspiel zusammengestellt: »Die Geschichte von der Schüssel und vom Löffel« von Michael Ende. Nie hat eine Gruppe so hingebungsvoll an der arabisch-hebräischen Textfassung gearbeitet, am Bühnenbild. Sie haben uns alle zum Staunen gebracht. Sie haben es geschafft, eine unglaubliche Stärke zu entwickeln durch ihre Fähigkeit, Krisen gemeinsam zu überwinden.

Auf eine besondere Weise wurde hier ein kleiner Pfad zum gedeihlichen Zusammenleben in Zeiten des Terrors deutlich:
Nicht durch schwierige Gespräche über die wechselseitigen Narrative oder Wahrnehmungen der Situation geschah dies — obwohl diese zu einem späteren Zeitpunkt in kleinen Gruppen auch ihren Platz im Prozess bekamen — sondern die jungen Leute fanden eigene Wege, durch ein Kennenlernen und Entwickeln von Vertrauen durch das gemeinsame Tun, durch das tatsächliche Erleben des Gegenübers mit all seinen Nöten, Begrenzungen und Schmerzen. Sie konnten sich dadurch von dem Scheinbedürfnis befreien, eine »allgemeingültige Wahrheit« zu finden über den Anderen und das, was ihn bewegt. Stattdessen bildete sich langsam ein lebendiges, entwicklungsfähiges Bild des Anderen durch das Leben miteinander heraus. Da empfinden wir einen Freiheitsmoment, indem wir einander nicht mehr über die Vorurteile, die wir uns gebildet haben, definieren, nicht mehr über das, was wir übereinander denken, sondern das, was wir miteinander erleben.
Lassen wir solche Erfahrungen wachsen und unsere Orientierung sein in der zukünftigen Arbeit mit Menschen aus verschiedenen Kulturen. Amen.
Von Herzen Dank für diesen bewegenden Bericht. Wege eines Miteinanders
– mit einem Trotzdem – dieser Art könnten Vorbild werden für Heilungsversuche all der tiefen Wunden auf beiden Seiten. Solche Aktionen wie
die eure sind bereits Samenkörner !תודה רבה
Elsbeth