In Israel ist es üblich, nach der Schule mehrere Monate lang eine Art soziales oder ökologisches/kulturelles Jahr zu absolvieren bevor der obligatorische Militärdienst beginnt – der teilweise und unter bestimmten Bedingungen auch als Zivildienst abgeleistet werden kann. Initiativen für diese Kursangebote werden staatlich gefördert. In Sha’ar laAdam – Bab l’il Insan entschied man sich nach langen Abwägungen, auch ein solches Programm in der Begegnungsstätte aufzubauen. Über die Pläne hatten wir bereits im letzten Rundbrief berichtet. Im September 2018 hat nun eine erste Gruppe von 15 junge Erwachsene, 17 bis 18 Jahre alt und allesamt aus Israel, begonnen, sich in einem 6-Monatskurs auf das Leben außerhalb des Elternhauses und für spätere Rollen in der Gesellschaft vorzubereiten. Im Gegensatz zu den meisten anderen Einrichtungen dieser Art in Israel besteht die Gruppe gemäß der Grundsätze unserer Arbeit aus jüdischen, beduinischen sowie arabischen Jugendlichen, welche nun fünf Tage in der Woche zusammen in Sha’ar laAdam – Bab l’il Insan verbringen und dort leben und lernen. Die jüdischen Jugendlichen lernen intensiv umgangssprachliches Arabisch (in den Schulen wird fast ausschließlich Hocharabisch unterrichtet, was stark von der Umgangssprache abweicht), die beduinischen und arabischen Jugendlichen erhalten Hebräischunterricht auf sehr hohem Niveau; daneben gibt es Stunden zu Islam und Judentum und zu Grundfragen der israelischen Gesellschaft und Geschichte, wobei hier das israelische und palästinensische Geschichts-Narrativ gleichsam gelehrt und diskutiert werden. Weitere Inhalte sind Grundlagen des anthroposophischen Lebens, das den Kursteilnehmern ja in in Harduf begegnet, sowie regelmäßiger gemeinsamer Sport.
Viele Menschen außerhalb Israels empfinden es überraschend und ungewohnt, wie segregiert die jüdischen und arabischen Gemeinschaften im Normalfall nebeneinander leben – sich zwar mehr oder weniger tolerieren, aber kaum kennen, so dass ein wirkliches Miteinander und Reflexionen der eigenen und anderen Lebenswelten kaum stattfinden können.
Mit dem Vorbereitungskurs ist nun in Sha’ar laAdam – Bab l’il Insan ein weiteres Programm entstanden, in dem Jugendlichen (Jungen und Mädchen!) der verschiedenen Bevölkerungsgruppen – auch wenn sie alle israelische Staatsbürger sind – über einen längeren Zeitraum direkt zusammen leben und lernen und somit ein neues, tiefgreifenderes Verständnis füreinander entwickeln können. Ein Verständnis, das die jungen Erwachsenen dann anschließend für ihren zukünftigen Positionen in der Armee, im Zivildienst und im weiteren Leben mitnehmen und so im Kleinen zu einem wirklichen Miteinander beitragen können, dass im Großen in Israel zu besserem Verständnis der Bevölkerungsgruppen füreinander führen kann.
Die erste Gruppe beendet im März 2019 ihren Aufenthalt in Sha’ar laAdam – Bab l’il Insan. Das Fazit ist positiv, wobei in den weiteren Runden die Gruppengröße nun deutlich erhöht werden soll, vermehrt sollen arabische TeilnehmerInnen zur Teilnahme motiviert werden, für die traditionsgemäß ein Leben außerhalb der eigenen Gemeinschaft oft noch ungewohnter und komplizierter ist als für die jüdischen Teilnehmer. Weiterhin soll zukünftig zunehmend auf und in Englisch unterrichtet werden, da Englischkenntnisse bei allen Teilnehmern – jüdischen sowie arabischen – erstaunlicherweise noch viel Entwicklungspotential beinhalteten.
Anselm Schelcher
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