Die arabische Waldorfschule in Shfaram baut Brücken

von | 11. Mrz. 2011

Die Gesellschaft in der arabischen Stadt Shfaram ist immer noch eine sehr patriarchalische. Es gibt im Stadtrat noch keine Frau und Funktionärinnen im Schulwesen sind ebenfalls selten. Die Stimme der Männer genießt höhere Autorität. Im Arabischen gibt es ein Sprichwort: Die Mutter ist die Schule, und wo sie frei ist, gibt es ein freies Volk. Meine Interpretation: „Mutter“ ist die Frau an sich. Wenn sie frei ist, kann sie ihre Kinder zu freien Menschen erziehen. Mütter haben unsere Schule ins Leben gerufen. Unsere Gruppe sammelte sich um das Ziel, den Kindern eine andere Erziehung zu ermöglichen. Fast immer ist es die Mutter, die Entscheidung für die Waldorfschule trifft. Mit mir hat es angefangen, einer Lehrerin mit zehn Jahren Unterrichtserfahrung. Ich bin eine der Mütter, die mitentschieden haben, diese Schule zu gründen. Zuerst war mein Mann dagegen, aber ich habe nicht aufgegeben. Andere Frauen, die meisten auch Lehrerinnen, verstanden meine Ideen und schlossen sich an. Schritt für Schritt bauten wir Kindergarten und Schule auf. Es waren die Frauen, die die Arbeit auf sich nahmen, während die Männer zuschauten. Viele Mütter lernten an der Waldorfschule in Harduf berufsbegleitend Waldorfpädagogik, so dass sie unsere Methoden besser verstehen.

Der Vorstand des Schulvereins besteht aus mehr Männern als Frauen. Es ist wichtig, dass dort die Männer mehrheitlich beteiligt sind, denn in der arabischen Gesellschaft wird nur ihre Stimme wirklich ernst genommen. Leider gab es auch Mütter, die die Schulinitiative wieder verlassen mussten, weil ihre Männer sie nicht unterstützten. Diese Frauen unterstützen oft sogar weiterhin unsere Arbeit, auch wenn ihre Kinder nicht mehr davon profitieren. Muslime, Christen, Drusen, in unserer Schule arbeiten die Frauen gut zusammen.

Sobald die erste Klasse unserer Schule, meine Klasse, angefangen hatte, entstand die Idee des freundschaftlichen Brückenbaus zwischen den Eltern und Kindern der anderen israelischen Waldorfschulen. Die Schule in Harduf ist ganz in der Nähe, und wir haben viel gemeinsam, auch wenn wir sprachlich und kulturell zu verschiedenen Kulturen gehören. Zusammen mit dem Klassenlehrer der Schule in Harduf machten wir einen Plan für das erste Jahr und erzählten das in unseren Klassen. Das erste Treffen war ein Ausflug, eine Wanderung nach Sha‘ar laAdam – Bab l‘il Insan, wo wir am Feuer Pita-Brote buken. Später trafen wir uns auch in der Schule in Harduf und tauschten kleine Grüße und Sätze in den „anderen“ Sprachen aus – wir sprachen Hebräisch, sie Arabisch, und dann hatten wir noch eine gemeinsame Englischstunde (in allen Waldorfschulen lernen die Kinder von der ersten Klasse an zwei Fremdsprachen, bei uns Englisch und Hebräisch, in Harduf Englisch und Arabisch).

Beim zweiten Treffen haben sie uns in Shfaram besucht. Wir bereiteten ihnen ein spezielles Brot mit unserem Gewürz „Za‘tar“ und die Kinder spielten mitein-ander. Am Ende des ersten Schuljahres besuchten wir die Abschluss-Spiele der Partnerklassen. Später haben wir dann gemeinsam Oliven geerntet und verarbeitet, die Eltern zusammen gebracht und im Wald von Sha‘ar la Adam- Bab l‘il Insan ein kleines Bauprojekt miteinander gemacht. Die Verbindung wird immer stärker, wächst mit den Jahren, zwischen den Familien, zwischen den Schülern.

Wir glauben, dass der Frieden Schritt für Schritt kommen muss, und dies sind nur die ersten Bewegungen eines längeren Verlaufes, den wir planen: Zuerst brauchen die Kinder noch die Stärkung ihrer eigenen kulturellen Identität, aber bis zur achten Klasse sollen sie sich so aneinander gewöhnt haben, dass sie in einer integrierten Oberstufe miteinander weiterlernen können. Musik, Englisch, Kunst und Handwerk sollen auf jeden Fall zusammen unterrichtet werden, in den anderen Fächern wird man sehen…

Die Brücke wird Stein für Stein gebaut, aufbauend auf Prinzip der Anerkennung der Individualität, den Grundstein der Waldorf-Pädagogik.

Lana Bachouth Nasrallah, Klassenlehrerin der 4. Klasse

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