Wie geht es unserem Wald?

von | 4. Jan. 2009

An einem Samstag im Oktober treffen sich 12 Menschen in dem großen Militärzelt, das vor einiger Zeit in Shaar laAdam – Bab lil’Insan aufgerichtet wurde, um die zahlreicher werdenden Aktivitäten auch in der feuchteren und kälteren Jahreszeit zu ermöglichen. Es regnet in Strömen, der lange ausgedorrte Boden ist Feucht und matschig. Trotzdem treffen wir uns im Wald. Ortstermin. Yaakov Arnan, einer der Gründer und Leiter der Theäaterschule in Harduf, möchte, dass wir ausnahmsweise nicht auf dem Boden sondern auf Stühlen sitzen. Tee und Datteln stehen zur Begrüßung bereit. Es geht um den wichtigen nächsten Schritt unseres Projektes. Der Kreis besteht aus Amin Sawa’ed, inzwischen Klassenlehrer an der ersten arabischen Waldorfschule in Israel, Mitbegründer wie Yaakov und die Autorin, die mit Heiner Schuur ihrem Mann, der den Verein, die Reisen und die Projekte von Anfang an mit unterstützt hat, aus Überlingen, Deutschland angereist ist, Re’i, einem pensionierten Offizier, der meist in einem Zelt im Wald lebend die Projekte dort praktisch leitet, den neuen Studenten vor Ort Noah und Amir Mirja Cordes, die aus Deutschland zu ihnen gestoßen ist und unsere Interessen in nächster Zeit bestens vor Ort vertreten wird (sie hat Arabisch und Politik studiert, ist diplomierte Englischlehrerin und hat in der Jugendsektion der Anthroposophischen Gesellschaft in Dornach viele Projekte mitorganisiert), Fais Sawa’ed, Sozialarbeiter und Heilpädagoge aus dem Beduinendorf, Yonathan, dem neuen Sekretär des israelischen Vereins und Avi, unserem Architekten vor Ort. Später kommt noch Mu’afak dazu, ein arabischer Tischler, der uns von Anfang an treu verbunden ist.

Die erste gute Nachricht ist, dass der „Flächennutzungsplan” des Kibbutzes (immerhin inzwischen ein Ort mit ca. 500 Einwohnern und zahlreichen größeren Initiativen: Waldorfschule, drei heilpädagogische Einrichtungen, Seminare und Fortbildungsmöglichkeiten, Ärztehaus, die große Landwirtschaft mit Meierer und Bäckerei und vieles mehr) ist nunmehr beschlossen, und wir gehören als „pädagogische Einrichtung“ dazu! Das heißt: Wir dürfen unser Gelände jetzt selbst „verplanen” und Bauanträge stellen! Das ist der wichtigste Schritt auf dem Wege zu einer „gebauten” Begegnungsstätte. Es finden ja auch jetzt schon zahlreiche Aktivitäten (Jugendbegegnungen, auch der Schulklassen aus der Umgebung, Theaterprojekte, Frauenprojekte, Kultivierung des Ortes) statt, aber außer vier winterfesten Zelten und der Freiluftbühne gibt es noch keine festen Gebäude. Trotzdem sieht es bei uns schon sehr schön aus – der Garten ist beeindruckend und vor allem der in zahlreichen Sommerlagern angelegte Treffplatz mit der Feuerstelle mit den darauf zu führenden Pfaden ist von Menschen verwandelte Natur, die ein Bild gibt von dem, was wir hier tun und noch viel mehr tun möchten.

An diesem regnerischen Morgen im Wald verteilen wir nun zunächst die einzelnen Teile der geplanten Begegnungsstätte über das Gelände — dabei ist daran zu denken, dass das Gesamtkonzept schon jetzt stimmen muss, auch wenn wir zunächst nur das Haus der Andacht bauen werden.

Natürlich ist für die Planung einiges an Vorarbeit schon jahrelang geleistet worden. Und so werden wir uns schnell einig darüber, wo das „Seminarzentrum” (ein Versammlungsraum und einige Gruppenräume, Küche, Speiseraum, Hauswirtschaft und Waschräume) sein soll, wo die einfachen Unterkünfte, wo die Wasserzisterne und die Klärbecken, der Garten, die kleine Werkstatt, eventuell mit Café?… die Unterkünfte für die „Crew, die hier alles in Ordnung hält – und natürlich das Haus der Andacht! Da unser Grundstück ein Stück näher in Richtung Harduf verlegt wurde, wird das noch einmal neu bedacht, und schließlich rücken wir das spirituelle Zentrum mehr in die Mitte, aber immer noch am oberen Ende, am Weg (nur für diejenigen, die sich die Landschaft ein bisschen vorstellen können).

Amin Sawa’ed bei einer Führung im Waldorfkindergarten in Shfaram

In den nächsten Tagen werden wir hier mit Eisenstangen die Außenmaße abstecken. Die Archtitekten Avi und Assia, die im letzten Jahr die Pläne von Gabriele Hübener und Robert Lütjens aus Oldenburg aufgenommen und mit ihnen den hiesigen Verhältnissen angepasst hatten, bekommen nun grünes Licht für die Bauanträge – die Bauweise ist so veranlagt, dass wir viel mit Eigenleistung arbeiten und jederzeit einen Baustopp einlegen können, wenn wir das gespendete Geld verbaut haben. Begonnen wird natürlich mit dem Fundament, dann muss der „Sicherheitsraum” (Bunker, obligatorisch, gleich Aufbewahrungsraum oder gebaut werden. Die Dachkonstruktion aus Holzbalken folgt, und danach wird eine halbhohe Mauer aus Natursteinen das Gebäude und den Innenhof begrenzen. Der Rest der Mauern ist ein Lehm-Strohgemisch, das arbeitsintensiv ist. Nutzbar ist der Raum schon in halbfertigem Zustand, denn die Holzkonstruktion ist ja schon weit mehr als ein Zelt… und der Vervollkommnung sind keine Grenzen gesetzt…

Nun kommt es sehr auf uns alle an: Wieviel können wir aufbringen, um den ersten Schritten weiteres hinzuzufügen? Insgesamt rechnen wir mit Baukosten von etwa €100.000 – im nächsten Rundbrief hoffen wir eine genauere Kalkulation vorstellen zu können. Das ist nicht viel für ein solches Vorhaben – immerhin eine Kirche, eine Synagoge, eine Moschee, ein Tempelchen… Aber doch viel, weil es keine eigentliche „Gemeinde“ gibt, die eventuelle Schulden langsam abtragen könnte. Alles, was wir verbauen wollen, muss bezahlt werden von den vielen Freunden und Sympathisanten unseres Projektes, die hier im Lande meist selbst nur sehr wenig haben und in vielen wichtigen Initiativen engagiert sind.

Gleichzeitig mit dem Bau des Andachtshauses beginnt natürlich schon die Planungsarbeit an der eigentlichen Herberge, die dann ja auch ein kleiner Wirtschaftsbetrieb sein wird, der sich hoffentlich selbst tragen kann. Und auch das im Rohbau erstellte Gästehaus bei den Beduinen des Sawa’ed-Stammes gehört zum Gesamtkonzept – mehr als Unterkunft für Dauergäste zunächst, vielleicht zunächst sogar günstig vermietet, um die Fertigstellungskosten zu decken?

Der Regen an diesem Samstagvormittag im Wald war ein sehr fruchtbarer, und in den folgenden Tagen sprießten das neue Gras und unzählige Waldblümchen. Wir sind noch ganz am Anfang – und doch ist schon so viel geschehen. Jetzt wird es ernst, und wir bitten wiederum um Ihre Mitarbeit: Viel haben Sie schon ermöglicht, was uns hoffnungsvoll stimmt.

Wir freuen uns auf die nächsten Schritte!

Ilse Wellershoff-Schuur

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