Zwei Wochen in Israel

von | 23. Mai. 2007

Nachdem ich letztes Jahr leider nicht mit nach Israel fahren konnte, war es für mich umso schöner die Gelegenheit nutzen zu können, in den Semesterferien vor Ort die diesjährige Sommerreise vorzubereiten und gleichzeitig meine noch sehr schlichten Arabischkenntnisse auszubauen. Amin, der Sohn des Mukhtars des Beduinenstammes Sawa’ed, hatte mir angeboten bei ihm und seiner Familie im Beduinendorf Sawa’ed El-Homeira zu wohnen und ich versprach mir davon eine gute Vorbereitung auf das zweite Semester meines Studiums der Islamwissenschaften. Die ersten Tage bei Amin nutzte ich, indem ich Bekannte und Freunde in Sawa’ed El-Homeira und Harduf besuchte und mit Amin grobe Pläne für die kommende kleine Sommerreise erstellte. Wieder einmal hatte sich sowohl in Sawa’ed El-Homeira und Harduf viel verändert. Es kommt mir vor, als ob jedesmal, wenn ich nach Harduf komme, wieder ein neuer Häuserring entsteht, sodass sich Harduf und das weiter am Hang des Hügels liegende Sawa’ed El-Homeira jetzt schon fast berühren. Auch ist der Höhenunterschied zwischen dem äußersten Ring und der Mitte des Kibbuz inzwischen schon so groß, dass viele diesen im Alltag nur noch mit dem Auto bewältigen. Auch Sawa’ed El-Homeira wächst kontinuierlich weiter. Das Leben bei Amin und seiner Familie gestaltete sich als sehr angenehm. Abendliche Konversationsversuche mit den Kindern auf Arabisch wurden bald zur Gewohnheit. Da der Generator kaputt war (Sawa’ed El-Homeira ist immer noch nicht ans Stromnetz angeschlossen), saßen wir regelmäßig abends bei Kerzenschein im Wohnzimmer und tranken Tee.

Die Freilichtbühne in der Begegnungsstätte.

Während der Zeit in Sawa’ed El-Homeira traf ich auch auf die drei deutschen Jugendlichen Annika, Annie und Jakob, die die internationale Jugendkonferenz „walk your talk“ vorbereiten. Einige Tage beteiligte ich mich am Vorbereitungsprozess und durfte an vielen interessanten Meetings und Begegnungen teilnehmen. Der Einblick in die Vorbereitung machte mich so neugierig auf die Konferenz, dass ich mich entschloss, an der Konferenz, die im Mai stattfindet, teilzunehmen.

Über Ostern war ich bei Atef, einem christlichen Araber aus der arabischen Stadt Shfaram, und seiner Familie eingeladen. In der Nacht zum Sonntag und am Sonntagmorgen nahmen sie mich mit zur Ostermesse in die griechisch-katholische Kirche. In Shfaram sind ca. 30 Prozent der Einwohner Christen, sodass ein großer Teil der Stadtbevölkerung Ostern feiert. Natürlich unterscheidet sich die Art und Weise, in der dort gefeiert wird, stark von den europäischen Traditionen. Bräuche wie Ostereier verstecken sind in Israel völlig unbekannt, was uns nicht davon abbringen konnte, unser persönliches Ostereier-Verstecken mit Amins Kindern zu veranstalten. Es kam sehr gut an; vielleicht setzt es sich ja jetzt durch. Ich hatte mir für dieses Mal fest vorgenommen, einige Tage in Tel Aviv zu verbringen, da ich auf den vorherigen Reisen nie die Gelegenheit bekommen hatte, diese Stadt richtig kennenzulernen. So fuhr ich also gegen Ende meines Israel-Aufenthaltes für 2 Tage nach Tel Aviv und wohnte während dieser Zeit bei einer Familie, deren Wohnung sich inmitten der Stadt und 50 Meter entfernt vom Strand befand. Das ermöglichte es mir, diese pulsierende und mit ihrem speziellen Bauhausstil auch architektonisch äußerst interessante Stadt zu erleben.

Am letzten Tag vor meinem Rückflug fuhr ich noch für eine Nacht nach Jerusalem. Der kurze Ausflug nach Jerusalem brachte zwei sehr interessante und bereichernde Begegnungen mit sich. Zunächst einmal war ich bei dem Sheikh des Naqschbandia Sufi-Ordens Abdul Aziz Buchari eingeladen. Sein Haus, das seit mehr als 400 Jahren inmitten der Jerusalemer Altstadt liegt, war durchaus nicht leicht aufzufinden. Mit Hilfe mehrerer Ortskundiger fand ich in dem Gewirr von verschlungen Pfaden und Hinterhöfen seine Residenz und wurden dort freundlich von seiner Frau und seiner Tochter empfangen. Seine Vitrine mit uralten Koran-Handschriften und aus Uzbekistan mitgenommenen Hadithen (Erzählungen über das Leben und die Taten Mohammeds) waren allein schon die Reise wert. Sheikh Buchari zeigte mir daraufhin einen Raum in seinem Haus, der eingerichtet war, als ob sich dort seit der Zeit des osmanischen Reiches nichts verändert hätte. In dieser Umgebung hatte ich ein sehr interessantes Gespräch mit ihm über seinen Orden, seine Friedensinitiativen und das Leben inmitten der Jerusalemer Altstadt.

Auf dem Tempelberg in Jerusalem

Die zweite spannende Begegnung hatte ich mit dem arabischen Israeli Ibrahim vom Ölberg. Er ist genau wie Sheikh Buchari ein „Peacemaker“, der sich täglich um Dialoge zwischen jüdischen Israelis und Pälastinensern bemüht. Zugleich ist sein Haus offen für jeden, der vorbeikommt, und es bietet Schlafplätze für alle, die eine Unterkunft suchen. So wohnen bei ihm Menschen aus aller Welt und er macht keinen Unterschied zwischen jüdischen, christlichen oder islamischen Gästen, was leider in der Region nicht selbstverständlich ist. Er war sogar nicht davon abzubringen mir den Transfer zum Flughafen zu organisieren. Seine Hilfsbereitschaft ist in der ganzen Region bekannt. Die letzte Nacht in Israel verbrachte ich also in seinem Haus, was gleichzeitig ein würdiger Abschluss eines gelungenen Israelaufenthaltes war. Ich freue mich nun schon auf die nächsten Reisen – die Tagung im Mai (www.crossingboundaries.org) und den Baueinsatz im Sommer!

Clemens Schuur

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