Ich war im Wohnheim genau neben der Uni untergebracht und hatte das Glück in meiner Wohneinheit mit drei Israels zusammen zu wohnen. Neben diversen anderen Vorteilen, kam ich in eine vollständig eingerichtete Wohnung. Andere Kursteilnehmer hatten weniger Glück und mussten erst einmal Töpfe und Pfannen kaufen gehen. Durch meine Mitbewohner, mit denen ich mich übrigens ausnahmslos auf Hebräisch verständigte, lernte ich viele andere Studenten und dadurch das Studentenleben in Beer Sheva kennen.
Das Hauptelement des Aufenthaltes bildete natürlich der Sprachkurs. Ich wurde in die Klasse ‚Dalet‘ eingestuft, im israelischen Schulsystem die vierte Klasse, sozusagen die der neun bis zehnjährigen Schüler. Die junge und dynamisch- erfrischende Irit lehrte uns insgesamt 150 Unterrichtsstunden Hebräisch. Im Vordergrund stand Konversation und jeder Morgen begann damit, dass wir Reihum chadaschot (Neuigkeiten) erzählen mussten. So war man täglich bestens über alles was in Israel und der Welt vor sich ging informiert. Wir freuten uns mit den Israelis über den Gewinn der ersten Goldmedaille überhaupt bei olympischen Spielen und verfolgten die Entwicklung der israelischen Suche nach dem Superstar – jedoch auch der Selbstmordanschlag in Beer Sheva sowie die Geiselnahme im russischen Breslan waren Themen über die wir diskutierten. Ausserdem musste jeder Kursteilnehmer ein Referat halten. Der Kurs bestand je zur Hälfte aus Deutschen und Amerikanern, die an einem Austauschprogramm der Universität teilnahmen. Im Gegensatz zu uns deutschen hauptsächlichen Nichtjuden, die aus Interesse an Israel und der Sprache teilnahmen, waren die Amerikaner alle jüdisch und zum Teil schon 15 Mal oder mehr in Eretz Israel. Zur Freude unserer Lehrerin Irit kam es immer schnell zu Diskussionen, und ob es nun über den Hungerstreik der Palästinenser in israelischen Gefängnissen oder über Waffengesetze in den USA ging, bildeten sich meist zwei Fraktionen. Das waren einerseits die Deutschen mit der völlig säkularen Irit und die amerikanischen Diasporajuden.
Nach überstandenem Sprachkurs aß man in der koscheren Mensa zu Mittag, die streng den jüdischen Spreisevorschriften folgend, in einen fleischigen -und einen milchigen Bereich eingeteilt war.
Am frühen Abend gab es Vorträge, die von jüdischer Kunst des Mittelalters bis zu zionistischen Frauenbewegungen in Deutschland handelten und zum Teil von herausragenden Dozenten gehalten wurden. So erzählte Professor Thiede, der Forscher der Qumramrollen, über das römische Reich und die Stellung der Juden, und der weltbekannte Psychologe Dan Bar-On berichtete von seinem Friedensprojekt, bei dem er mit israelischen und palästinensischen Geschichtslehrern ein Schulbuch erarbeitet, in dem wichtige historische Ereignisse auf der einen Seite aus israelischer und genau gegenüber aus arabischer Sicht dargestellt werden.
von Anselm Schelcher
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