„Warum fahrt ihr eigentlich jedes Jahr nach Israel um dort in der Hitze auch noch zu schuften? Ihr seid ja verrückt!“
Oder:
„Warum kommt ihr eigentlich immer zum Arbeiten hierher, seid ihr in Deutschland nicht ausgelastet?“
Diese oder ähnliche Fragen tauchen immer wieder auf, wenn sich jemand mit unserer Arbeit in Galiläa beschäftigt. Um vielleicht ein bisschen eine Antwort zu finden, muss man zunächst das Wesen der Begegnung ein wenig genauer betrachten.
Zu Beginn einer Begegnung steht sicherlich ein guter Wille und Begegnungsbereitschaft. Doch reicht eine Offenheit auf beiden Seiten nicht aus. Es wird nicht zu einer Begegnung zwischen zwei Menschen oder Menschengemeinschaften kommen, wenn nicht individuell der Mut gefasst wird ein Stück über sich hinaus, dem anderen entgegen, zu wachsen, um den unbekannten Raum, der zuweilen beängstigend groß sein mag, zu überbrücken.
Dieser Prozess aber ist ein aktiver, eine bewusste HANDLUNG der Einzelnen.
Dabei ist es einzusehen und zu erleben, dass in der Begegnung Hülsenhaftes, Leeres und Maskenhaftes keine Anwendung finden kann; ein solch sensibles, lebendiges Unterfangen wie eine Begegnung braucht ein gesundes Fundament aus ehrlichem Interesse und Offenbahrungswillen. Ohne ein Stück von sich selbst preiszugeben kann naturgemäß keine Begegnung stattfinden; wo keiner ist, kann man auch niemandem begegnen. Wo aber eine wirkliche Begegnung stattfindet, stellt sich unmittelbar eine Betroffenheit, ein unverkennbares Sichgemeintfühlen und ein Erleben der Individualität des anderen ein. Es kommt etwas hinzu, das mehr ist, als das alleinige Aufeinandertreffen von Du und Ich.
Leider sind solche Sternstunden selten und oft befindet man sich gerade auf dem Gebiet des Zwischenmenschlichen in einem bewusstseinsmäßigen Tiefschlaf.
Um aber doch einen Schritt in Richtung einer Begegnungskultur tun zu können gibt es glücklicherweise Hilfen, BEGEGNUNGSINHALTE in Form von gemeinsamer theoretischer, praktischer und künstlerischer Arbeit. Gemeinsame Arbeit in jeglicher Art und Weise bietet ein wunderbares Mittel zur Überbrückung religiöser und kultureller Distanzen aber auch zur Auflösung der zwischenmenschlichen Gleichgültigkeit im eigenen Land- und Kulturkreis.
Dies ist sicherlich einer der Gründe warum die regelmäßig in Galiläa stattfindenden Jugendlager BAU- und BEGEGNUNGSLAGER sind. Die Aufbauarbeit hat nicht nur den positiven „Nebeneffekt“ der schrittweisen Entstehung eines Zentrums für Gemeinschaftskultur, sondern ist selbst zentrales Ereignis, ist aktives Gestalten an einem lebendigen, in ständiger Wandlung begriffenem Begegnungswesen.
Antje Krüger
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